Perspektiven nach dem Lockdown – Frühjahrsempfang mit Claudia Roth und Traunsteiner Betroffenen
Schon seit vielen Jahren kommt Claudia Roth zu uns nach Traunstein zu einem Neujahrs- oder Frühjahrsempfang. Diese Veranstaltungen fanden bis dato im vollen Saal des Sailer Kellers statt, doch Corona zwang uns, dieses Jahr Claudia Roth online zu empfangen – und es fanden sich viele Gäste ein.
Nach einem Grußwort von Wolfgang Ehrenlechner, unserem designierten Kandidaten für die Bundestagswahl im Herbst, betonte Claudia Roth in ihrer Rede, „dass wir von der Pandemie uns unsere Lebensweise nicht wegnehmen lassen dürfen“ und sie zitierte im Anschluss Bert Brecht mit seinem Satz: „ Ändert die Welt, sie braucht es“. Sie berichtete vom Ringen der Bundestagsfraktion zwischen dem Schutz der Menschen einerseits und dem Schutz der Freiheitsrechte auf der anderen Seite. „Dieses Ringen ist GRÜN“, sagte sie.
Doch nicht nur Covid19 war Thema ihrer Rede. „Es gibt auch eine andere Krise, nämlich die Klimakrise, und das ist eine Überlebensfrage“. Sie forderte eindringlich, dass das Pariser Klimaabkommen nicht nur in Sonntagsreden vorkomme, sondern dass gehandelt werden müsse.
Doch zurück zum Thema „Perspektiven nach dem Lockdown“. Ortssprecherin Martina Wenta bat nun betroffene Traunsteiner um Ihre Ansichten zum Thema.
Rudi Zeif, Gastwirt im Sailer Keller und im Bräustüberl am Stadtplatz berichtete von seinen Mitarbeitern, die als Haupt-Leidtragende nun seit 4 Monaten zuhause bleiben müssen. Seine Forderung ist, dass der auf 7% gesenkte Mehrwertsteuersatz dauerhaft erhalten werde, und dass er diesen Vorteil auch an seine Mitarbeiter weitergeben möchte.
Michael Adler, der einen Teeladen in Haslach betreibt darf seinen Laden öffnen, „doch viele wissen es nicht“. Er verglich die aktuell Situation mit „Brot und Spielen“ im alten Rom: „Brot, das sind die Supermärkte und Spiele, das ist die Fußball-Bundesliga“. Und er erinnerte daran, dass „ein Unternehmen keine Nachttischlampe ist, die man an- und ausknipsen kann“.
Heidi Aiblinger, selbständige Frisörmeisterin hat ihren Salon am Stadtplatz. Sie sagte, dass die finanziellen Reserven ihres Betriebs nun aufgebraucht seien. Aber sie freut sich mit ihren 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie seit dieser Woche wieder öffnen darf: „ Das Positive an Corona ist, dass man jetzt „Respekt vor unserer Arbeit hat“.
Auch Physiotherapeut Valentin Rausch betrachtet sich als „privilegiert“: „Ich habe das Glück, dass ich arbeiten darf“, sagte er. Belastend für ihn sei es, dass er seit einem halben Jahr permanent mit FFP-2-Maske arbeiten muss. Er berichtete von Verunsicherung bei seinen Patienten: „Sie sagen, dass von der Politik wenig Zuversicht ausgehe“. Rausch ist auch Sportler und er erzählte von den Problemen kleinerer Vereine, die durch die Pandemie leider einen Teil ihrer Mitglieder verlören.
Stephan Hadulla ist Musiker und in der glücklichen Lage, als Kirchenmusiker eine Festanstellung zu haben. Größere Probleme sieht er aber zurzeit bei seiner Tätigkeit als Chorleiter: „Die Stimme ist ein Muskel, der trainiert werden muss“. Er befürchtet, dass bei einigen Chormitgliedern die Motivation zum gemeinsamen Singen nach dem Lockdown nicht wiederkomme und dass die Chöre Mitglieder verlieren werden.
Rüdiger Funk ist selbständiger Personalentwicklungsberater. „Wir hielten in der Vergangenheit viele Präsenz-Seminare ab, die dann von einem Tag auf den anderen auf Null zurückgingen, mit den entsprechenden Umsatzverlusten,“ sagte er, und weiter: „Wir haben dann alles mit einem enormen Kraftaufwand auf online umgestellt, wir haben uns neue Kompetenzen angeeignet und es geht jetzt gut“. Aber, „die Leute sind es leid, immer am Bildschirm zu arbeiten, „kein Kaffeetisch und kein Smalltalk in den Pausen“,
Claudia Roth war aufmerksame Zuhörerin und sagte zu, dass sie ihre Eindrücke und die Anregungen der Teilnehmer mitnehmen werde. Sie bestätigte die Ansichten der Traunsteiner „Betroffenen“ und sagte: „Es braucht Perspektiven, für Kitas, Schulen, für den Einzelhandel, für die Gastronomie und für Kunst und Kultur“.
Wolfgang Wörner / März 2021
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