Unser Ortsverband diskutierte mit Betroffenen
„Mir wurden bereits über 45 Konzerte abgesagt“, so Silke Aichhorn, die mit ihren einzigartigen Harfenkünsten in verschiedensten Ländern gefragt ist. „Der Verlust ist enorm. Ich lebe fast ausschließlich von Ersparnissen.“ „Bereits 3,5 Millionen Menschen aus der Kulturszene in Deutschland sind durch Corona in ihrer Existenz bedroht“, führte Katharina Stadler, Ortssprecherin der Grünen in Traunstein, beim monatlichen Themenabend aus. Silke Aichhorn betreibt als freie Künstlerin auch ihr eigenes Label und managt sich komplett selbst: „Abgesehen von einer ersten Soforthilfe, die nur für Betriebskosten verwendet werden durfte, werden wir Soloselbständige von der Regierung seit Monaten komplett im Stich gelassen. Ich sitze tageweise nur am Computer, auch um absurde Anträge auszufüllen, die zu nichts führen. Die Harfe kommt fast schon zu kurz.“ Angebote des Arbeitsamtes für eine Umschulung oder Hartz IV sind für sie als Profi indiskutabel, sie hofft, ihren Beruf bald wieder im normalen Rahmen ausüben zu können. „Aufgrund meines großen Netzwerkes konnte ich schon wieder einige Konzerte spielen, viele andere Musiker haben überhaupt keine Chance, einen Fuß auf den Boden zu bekommen.“
Christian Hußmann, Sachgebietsleiter für Kultur und Heimatpflege am Landratsamt, konnte die Coronaproblematik aus seiner Sicht erläutern: „Wir mussten dieses Jahr die Chiemgauer Kulturtage absagen, die ein sehr breites Programm an Kunst und Kultur abdecken. Der Musiksommer zwischen Inn und Salzach ist durch die Auflagen massiv eingeschränkt. Dennoch führen wir Konzerte unter strenger Beachtung der Infektionsschutz-Regeln durch, wo es geht, um ein Zeichen für die Künstler zu setzen.“ Martina Wenta, die die Veranstaltung mitmoderierte, fragte um den Abstand von Gesangsformationen nach. „Große Chöre oder Bläseresembles können wegen der Abstandsproblematik keine Konzerte geben“, erläuterte Hußmann. „Die Volksmusiksänger sind gewohnt eng beieinander zu stehen. Viele treten nicht auf.“
Noch schwieriger stellt sich die Situation für Clubbetreiber dar. Christoph Schraufstetter, der die ehemalige Metro – jetzt Salon Erika – managt, steht vor dem Existenzaus: „Die Subkultur, zu der mehr als 4500 Clubs in Bayern zählen, fällt völlig durchs Raster. Ohne Schank- und Speisekonzession können wir derzeit nicht öffnen. Ich war im März gerade so weit, dass es läuft. Jetzt bin ich erheblich in den Miesen wegen Miete, weiterlaufenden GEMA-Gebühren, Betriebskosten usw. Das vereinfachte Verfahren zur Hilfe für Soloselbstständige umfasst viele Seiten. Ich muss anderweitig jobben.“ Seine zehn Teilzeitkräfte musste er ebenfalls ausstellen. Martina Wenta, die eine 17-jährige Tochter hat, fragte nach, ob die Staatsregierung irgendein Signal für diese Kulturszene sendet. Schraufstätter wandte sich mit einem Konzept bereits an Ministerpräsident Söder. „Von dort bekam ich mit Verweis auf Ischgl eine Absage“, äußerte sich der Clubbetreiber.
„Künstler und Künstlerinnen werden dort (z. B. in Baden-Württemberg) mit einem monatlichen Festbetrag unterstützt.“
Silke Aichhorn, selbstständige Harfenistin
„Wie kann den Kulturschaffenden geholfen werden?“, wandte sich Stadtrat Thomas Stadler an die Referenten. Christoph Schraufstetter meinte: „In Österreich kann der Barbetrieb unter Auflagen bis 1.00 Uhr durchgeführt werden.“ Günter Fembacher hakte nach: „Sind unsere derzeitigen Bestimmungen verhältnismäßig?“ Silke Aichhorn verwies auf Baden-Württemberg: „Künstler und Künstlerinnen werden dort mit einem monatlichen Festbetrag unterstützt.“ Christian Hußmann berichtete über ein flexibles Konzept für Livekonzerte, das in Zusammenarbeit von F.C.Kultur und Django 3000 entstanden ist: „Von Juli bis September konnten wir damit mehrere Konzerte im Freien ermöglichen. Bei der Wirtschaftsförderung gibt es mit Frau Meinel eine Anlaufstelle für solche Projekte.“
Die Diskussion machte nochmals deutlich, welche massiven Einschnitte Corona gerade für die Künstlerinnen und Künstlern mit sich bringt. Zugleich bricht auch eine wesentliche Lebensqualität für die Menschen weg. Eindringlich forderte Silke Aichhorn: „Künstlerinnen und Künstler brauchen Auftritte. Musik und Kunst sind unverzichtbar.“
Thomas Stadler / September 2020
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