LGS-Wahrheiten aus Deggendorf

Helga Mandl und Gerhard Schweiger vom Aktionsbündnis STOP LGS, Dr. Georg Meiski, Stadtrat in Deggendorf, Karl Hauser, ehemaliger Stadtrat in Deggendorf, und Gerhard Lechner vom Aktionsbündnis (von links)

LGS-WAHRHEITEN AUS DEGGENDORF

„WOLLEN VOR FEHLVERWENDUNG VON STEUERGELDERN WARNEN“

„Wahrheiten aus Deggendorf“ lautete der Titel der Infoveranstaltung des Bündnisses „STOP LGS“ am 1. April 2016 im Traunsteiner „Sailer Keller“ und zur Freude der Organisatoren war der Saal voll besetzt mit interessierten Bürgern. Eingeladen waren Dr. Georg Meiski, Stadtrat aus Deggendorf, und Karl Hauser, der zur Zeit der Vorbereitungen zur LGS Deggendorf dort ebenfalls Stadtrat war. Vor der Veranstaltung hatten sich die beiden zusammen mit Hans Schweiger und Helga Mandl vom Bündnis STOP LGS die für die Landesgartenschau vorgesehenen Flächen schon mal angesehen. So konnten sie am Abend auf der Bühne des Sailer Kellers mit Helga Mandl ein Interview führen, nicht nur über positive und negative Aspekte der LGS 2014 in Deggendorf, sondern sie waren auch in der Lage, einige Vergleiche zu ziehen.

„WARUM BRAUCHT IHR EIGENTLICH EINE LGS?“

Nach seinem Eindruck über Traunstein befragt sagte Karl Hauser: „Warum braucht Ihr eigentlich eine LGS?“ Dr. Georg Meiski sagte: „Wir möchten Ihnen Entscheidungshilfen für den 10. April geben, wir haben gesehen, was bei einer LGS schiefgehen kann und möchten Sie vor einer möglichen Fehlverwendung von Steuergeldern warnen.“ Auf die Frage von Helga Mandl, wie das Deggendorfer LGS-Gelände vor der LGS genutzt war, antworteten die beiden: „Die Nutzung war im Wesentlichen dieselbe. Es gab einen Volksfestplatz, einen Parkplatz, einen veralteten Spielplatz, eine Tennis- und Bowlinghalle, Tennisplätze. Das Areal war dabei in die Jahre gekommen. Nach dem Krieg wurde die Fläche auch als Deponie genutzt. Für die LGS wollte man die Altlasten beseitigen, hat dann aber aus Kostengründen darauf verzichtet und einen Deckel draufgemacht.“

10 MILLIONEN FÜR 300 METER WEGERSPARNIS

Die nächste Frage von Helga Mandl ging um eine Fußgänger- und Radfahrerbrücke über die Donau, die für die LGS errichtet wurde. Antwort Hauser: „Die Brücke wurde genutzt, um temporäre Ausstellungsflächen und einen temporären Parkplatz zu erreichen. Die Stadt wollte ursprünglich die Brücke an eine bestehende Eisenbahnbrücke andocken, das hätte 3,2 Millionen Euro gekostet. Daraus wurde nichts, jetzt haben wir ein Kunstwerk, das 10 Millionen Euro gekostet hat. Nach der heutigen Nutzung der Brücke befragt, sagte Dr. Meiski: „Die Brücke ist Teil eines überörtlichen Radwegs und spart gegenüber der früheren Donauüberquerung 300 Meter. Sie wird auch gern von Joggern benutzt und von einem Schäfer, der zweimal im Jahr hier seine Schafe auf die andere Donauseite bringt.“

PARKGARAGE: 2 ODER 3 EURO AM TAG UND TROTZDEM LEER

Es wurde auch eine Parkgarage errichtet. „Rechtfertigen sich die Kosten hierfür?“, wollte Helga Mandl wissen. Antwort: „Vorher gab es 560 Gratis-Parkplätze, die von den Studenten der Fachhochschule genutzt wurden. Für die LGS war eine Parkgarage mit 600 Plätzen geplant, die wegen der Grundwassersituation auf 460 Plätze reduziert werden musste. Heute steht die Parkgarage überwiegend leer, weil den Studenten die 2 oder 3 Euro Parkgebühr am Tag (!) zu hoch sind.“
Helga Mandl fragte nun nach dem Granit für eine Treppe, der aus China kam. Dr. Meiski: „Wir wollten alle den Granit aus dem nahen Bayerwald. Allerdings hatte es schon im Vorfeld geheißen, dass aufgrund der produktneutralen Ausschreibungspflicht wohl China-Granit der billigste sein wird. Uns wurde dann aus Fachkreisen ein Leistungsverzeichnis zugespielt, woraus sich ergab, dass nicht produktneutral ausgeschrieben worden war, sondern zur Beschreibung des gewünschten Granits ausgerechnet der Handelsname eines China-Importeurs verwendet wurde. Es heißt, dass diese vergaberechtlich problematische Variante, die unseren Wünschen auch noch zuwiderlief, dann durch ein produktneutrales Leistungsverzeichnis ersetzt worden sein soll, wobei wir bislang diese Vorgänge nicht widerspruchsfrei aufklären konnten.“

WIR WURDEN GUT INFORMIERT, WAS SCHON BESCHLOSSEN WAR

„Wie wurde der Stadtrat in Deggendorf vom Aufsichtsrat informiert?“, fragte Mandl. Hauser berichtete: „So viel hatten wir da nicht zu entscheiden. Wir wurden gut informiert, über das, was schon beschlossen war, und hatten de facto als Stadtrat keinen Einfluss. Wir nahmen die Beschlüsse halt dann zur Kenntnis.“

Helga Mandl weiter: „Der Aufsichtsrat tagt doch nicht-öffentlich.“ Dem widersprachen Hauser und Dr. Meiski: „Ob öffentlich oder nicht-öffentlich können die Stadträte mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages bestimmen und durchsetzen. Das GmbH-Gesetz lässt den Gesellschaftern die Möglichkeit, dies frei zu bestimmen. Eine zwingende Nichtöffentlichkeit wie für Aktiengesellschaften kennt das GmbH-Gesetz nicht. Darüber hinaus dürfen die Aufsichtsratsmitglieder sehr wohl jedem Stadtrat mitteilen, was in der Sitzung los war.“ Dr. Meiski ergänzte: „Die Stadtratsmitglieder, die im Aufsichtsrat sind, haben eine extrem schwierige Aufgabe. Sie sind ja alle ehrenamtlich tätig und sie sind nicht immer vom Fach – und die Materie ist extrem schwierig! Sie treffen im Aufsichtsrat auf Profis der Fördergesellschaften, die enorme Routine haben und deshalb zwangsläufig den Stadträten fachlich überlegen sind.“

AUFTRÄGE AN FIRMEN AUS DER REGION?

„Es wird behauptet, dass in Deggendorf 82% der Aufträge an Firmen in der Region vergeben wurden“, sagte Mandl. Herr Hauser darauf: „82% von was? Von den 7,6 Millionen des Investitionshaushaltes der Durchführungsgesellschaft sind tatsächlich 82% in der Region geblieben, aber nicht von den anderen Ausgaben: Bei der Brücke über die Donau ist etwa ein Drittel der Ausgaben in der Region geblieben, beim Parkdeck nur etwa 15%. In der Stadt Deggendorf schätzt man, dass etwa 50% und nicht 82% der Gesamtausgaben in der Region geblieben sind. Inwieweit davon noch Aufträge an fremde Subunternehmen gingen, ist nicht bekannt.“

AUSSCHREIBUNGSKRITERIEN FÜR LOKALE WIRTE NICHT HANDHABBAR

Karl Hauser weiter: „Beim Durchführungshaushalt sah es besonders schlecht aus. Die Ausschreibungskriterien für das Catering waren für lokale Wirte nicht handhabbar, somit kam ein Fachbetrieb aus Sachsen zum Zug. Da wir an der Donau sind, wollte man gerne ein Schiff haben. Eine Reederei aus Passau bot an, eines ihrer Schiffe zur Verfügung zu stellen, auf dem es auch etwas zu Essen hätte geben sollen. Letztlich ist es ein Segelschiff geworden, das für die Donau nicht mehr typisch war und ohne Essensmöglichkeit – die Leute sollen ja auf der LGS essen.“

Dr. Meiski berichtete: „Die sechs Monate der Landesgartenschau waren eine tolle Zeit, die Gastronomie hatte zumindest 10% mehr Umsatz, die Hotellerie hatte in dieser Zeit ein Drittel mehr. Das gilt jedoch nicht für den Einzelhandel außerhalb der 1A-Lagen, wo sogar über Umsatzrückgänge geklagt worden ist. Ein Wirt, der neben dem Gelände beheimatet ist, wollte, dass es einen zusätzlichen Ausgang von der LGS zu seinem Lokal gibt. Man munkelt, Wirt und Durchführungsgesellschaft hätten sich nicht über die Kostentragung für einen zusätzlichen Ein- und Ausgang einigen können, welche angeblich bis zu 200.000 Euro hätten betragen sollen. Karl Hauser abschließend: „Heute ist die Party vorüber, die Leerstände in der Stadt sind nicht weniger, sondern sogar etwas mehr geworden.“

PROBLEM, WENN DERJENIGE, DER ANSCHAFFT, NICHT ZAHLT

Zum Abschluss des Interviews sagte Dr. Meiski: „Die LGS hat Deggendorf nicht in den Ruin getrieben, aber wir können das Geld nur einmal ausgeben, man hätte es auch in den Wohnungsbau oder den Bau von Kindergärten stecken können. Es ist immer ein Problem, wenn derjenige, der anschafft, nicht zahlt, besonders dann, wenn Fördergelder fließen.“

Aus dem Publikum kamen nun viele Fragen: Ein Besucher fragte nach dem Sinn einer LGS: Dr. Meiski sagte, der Sinn einer LGS ist es, mehr Verständnis für Natur und Umwelt zu erzeugen. „Das ist in Deggendorf nicht geschehen, auf dem LGS-Gelände wurden 800 Bäume gefällt, die dann durch eine Neuanpflanzung in Reih und Glied ersetzt wurden. Darüber hinaus wird in Deggendorf heute mehr und mehr öffentliches Grün geschlachtet.“

Georg Handwerker fragte, wie es denn mit dem vorgeschriebenen Verwendungsnachweis bei Erhalt von Zuschüssen aussieht? Dr. Meiski darauf: „Wir waren die erste LGS, die vom Bayerischen kommunalen Prüfungsverband geprüft wurde. Der Oberste Bayerische Rechnungshof sieht Landesgartenschauen sehr kritisch: Weiterhin kritisierte er beispielsweise, dass nach den Feststellungen des BKPV nur Gärtner teilnehmen dürfen, die im Verband organisiert sind.“ Helga Mandl ergänzte aus einem Gespräch mit einem Gärtner aus Rosenheim: „Mitgliedsbeitrag 1.400 Euro jährlich.“

FÖRDERGESELLSCHAFT ÄHNLICH IOC?

Walter Linner sieht Parallelen zu Olympia: „Ist die Fördergesellschaft FöG nicht so etwas ähnliches wie das IOC?“, fragte er. Antwort Dr. Meiski: „Eine Landesgartenschau ist Wirtschaftsförderung für Gartenbaubetriebe. Von der Fördergesellschaft gestelltes Personal wird für seine Arbeit nach Stundensätzen bezahlt, die zwar kritisiert werden, sich aber wohl im Rahmen des Üblichen halten. Dass große Unternehmen bei der Vergabe von Aufträgen begünstigt sind, ergibt sich aus der Struktur der Sache. Man könnte aber sicherlich darüber nachdenken, zum Beispiel beim Catering kleinere Lose auszuschreiben.“ Helga Mandl wusste ergänzend: „Die FöG bekommt einen nicht öffentlich bekannten Anteil der Eintrittsgelder, aber das ganze Risiko trägt die Stadt.“ 

Dr. Ernst Schraube fragt nach der Parksituation. Dr. Meiski: „Ein großer Anteil der Besucher kam mit Bussen, ca. 50 bis 60 Busse am Tag. Und ganz wichtig: Die Leute wollen direkt am Eingang der LGS aussteigen oder ihr Auto parken.“ Judith Bauer wohnt am Festplatz und fragte, was mit dem Frühlingsfest passiert, wenn alles voller Baustellen sein wird. Angela Rausch wohnt an der Traun. „Kann ich vor und der während der LGS weiterhin mit dem Fahrrad in die Arbeit fahren?“ Stadtrat Haider darauf: „Den Radweg wird es weiter geben, aber er wird voraussichtlich etwas anders verlaufen.“

WARUM GAB ES IN DEGGENDORF KEIN BÜRGERBEGEHREN GEGEN DIE LGS?

Herr Haider fragte dann, warum es in Deggendorf kein Bürgerbegehren gegen die LGS gab. Herr Dr. Meiski: „Als wir gemerkt haben, dass in Deggendorf nach unserer Schätzung nur ein Drittel der Bevölkerung die LGS befürwortet, war es zu spät. Bei einem Stop hätte Deggendorf Millionen in den Sand gesetzt.“ Georg Handwerker fragte: „Wo sollen die Einpendler während der LGS parken? Bei 8,50 Euro Stundenlohn kann man sich keine Parkplatzgebühren leisten.“ Stadtrat Kaiser meinte darauf, dass das Problem nicht so groß sei: „Schon heute nutzen nur wenige Pendler den Gratisparkplatz am Festplatz.“ 

Zum Abschluss zitierte Herr Hauser den Börsenprofi Kostolany sinngemäß: „Investiere nie in subventionierte Märkte, es kommt immer etwas anderes heraus, als man braucht.“

Wolgang Wörner

Kommentar verfassen

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld

Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.

Verwandte Artikel